Kirchentellinsfurt, 15.01.2021
Das Landgericht („LG“) Stuttgart hat gestern den lange erwarteten Vorlagebeschluss nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz („KapMuG“) gegen die Daimler AG („Daimler“) wegen Dieselgate erlassen und damit das Musterverfahren vor dem Oberlandesgericht („OLG“) Stuttgart eröffnet (Beschluss vom 14.01.2021, Az. 129 AR 1/21 Kap). Der Beschluss enthält sogenannte Feststellungsziele u.a. zu unterlassenen und falschen Ad-hoc-Mitteilungen sowie falschen Geschäftsberichten der Daimler AG. Er basiert auf Musterverfahrensanträgen der TILP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH („TILP“) vom Juni 2018 und Mai 2019, die TILP beim LG Stuttgart gestellt hatte, um das Musterverfahren nach dem KapMuG einzuleiten. „Unsere Anträge wurden im Februar 2019 und Februar 2020 im Klageregister des Bundesanzeiger veröffentlicht, damit war ein Vorlagebeschluss nach dem KapMuG zwingend zu erlassen und nur noch eine Frage der Zeit“, erläutert der Tübinger Rechtsanwalt Andreas Tilp. „Der Vorlagebeschluss enthält quasi das Arbeitsprogramm für das OLG Stuttgart, mit dem nunmehr die Anlegerklagen gegen Daimler aufgearbeitet werden“, ergänzt TILP-Anwalt Axel Wegner.
Die Kanzleien TILP und TILP Litigation Rechtsanwaltsgesellschaft mbH („TILP Litigation“) vertreten vor dem LG Stuttgart aktuell hunderte private und institutionelle Investoren gegen die Daimler AG mit Klagforderungen in Höhe von rund 1,1 Milliarden Euro. Die Klagen basieren auf Käufen von Daimler-Finanzinstrumenten und Finanzinstrumenten auf Daimler-Aktien im Zeitraum vom 10. Juli 2012 bis 20. Juni 2018 (sogenannte Desinformationsphase). Die Kläger werfen Daimler die Verletzung kapitalmarktrechtlicher Pflichten im Zusammenhang mit dem Daimler-Dieselskandal vor. Der Vorwurf lautet insbesondere, dass Daimler die Verwendung von illegalen Abschalteinrichtungen in seinen Diesel-Fahrzeugen und die hiermit verbundenen Risiken und Kosten dem Kapitalmarkt verschwiegen und diesen über die wahren Umstände getäuscht hat. Während der Desinformationsphase vom 10. Juli 2012 bis 20. Juni 2018 sank der Kurs der Daimler-Aktie von über 90 Euro auf unter 60 Euro. Die dadurch erlittenen Schäden sind Gegenstand des jetzigen Stuttgarter Musterverfahrens.
„Ende 2021 droht der Eintritt der Verjährung von Anlegeransprüchen. Der gestrige Vorlagebeschluss ermöglicht nunmehr die zeitnahe Bestimmung eines Musterklägers durch das OLG Stuttgart und damit Anlegern, die noch nicht geklagt haben die Möglichkeit, ihre Rechte mit deutlich reduziertem Kostenrisiko zu verfolgen“, führt Rechtsanwalt Wegner aus. „Die Rechtsverfolgung mittels KapMuG-Musterverfahren ist kostengünstiger und bietet erfahrungsgemäß signifikant höhere Erfolgschancen als normale Klagen“, ergänzt Rechtsanwalt Tilp.
Die TILP-Kanzleien kooperieren im Schadensfall Daimler-Dieselgate mit dem Prozessfinanzierer Therium, welcher TILP-Mandanten die kostenfreie Rechtsverfolgung gegen die Daimler AG gegen Erfolgsbeteiligung ermöglicht.
TILP hat eine Plattform unter www.daimler-klage.de eingerichtet, auf der sich geschädigte Anleger und Investoren kostenfrei registrieren können und dann kostenfrei weitere Informationen zum Musterverfahren gegen Daimler erhalten.
Hintergrund
Im September 2015 wurden bekanntlich die Dieselmanipulationen des Volkswagen-Konzerns öffentlich bekannt. Hierauf behauptete Daimler vehement, derartiges komme bei Daimler-Fahrzeugen nicht vor und wies den Vorwurf der Manipulation in einer Pressemitteilung vom 25. September 2015 „auf das Schärfste zurück“. Auch der damalige Daimler-Chef Dieter Zetsche persönlich verwahrte sich in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gegen entsprechende Verdächtigungen und behauptete: „Ein Defeat Device, sprich eine Funktion, die die Wirksamkeit der Abgasnachbehandlung unzulässig einschränkt, kommt bei Mercedes-Benz nicht zum Einsatz“. Knapp drei Jahre später kam das Kraftfahrt-Bundesamt („KBA“) jedoch zu einer anderen Einschätzung und ordnete im Mai 2018 den Rückruf erster Daimler-Fahrzeuge wegen der Verwendung illegaler Abschalteinrichtungen an. Im Juni 2018 kündigte schließlich Bundesverkehrsminister Scheuer an: „Der Bund wird für deutschlandweit 238.00 Daimler-Fahrzeuge wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen unverzüglich einen amtlichen Rückruf anordnen. Insgesamt sind in Europa 774.000 Fahrzeuge betroffen.“
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