Wir meinen ganz klar: Ja, trotz der hohen Überschuldungssituation der Wirecard AG. Insbesondere sind wir davon überzeugt, dass die geschädigten Anleger als gleichrangige Gläubiger neben den unbesicherten kreditgebenden Banken zu behandeln sind (dazu sogleich).
Auch wenn eine genaue Bezifferung der Schadenskompensation naturgemäß nur schwer möglich ist, halten wir es für realistisch, dass im Insolvenzverfahren eine quotale Erfüllung Ihrer Schadensersatzforderungen in einem zweistelligen Prozentbereich erreicht werden kann.
Kontrovers diskutiert ist auch die Frage der insolvenzrechtlichen Behandlung von Aktionärsschäden. Der Fall Wirecard stellt einen bis dato nie vorgekommenen Skandal in der deutschen Börsengeschichte dar. Die hieran anknüpfenden Sach- und Rechtsfragen sind komplex und teils weder gesetzlich geregelt noch höchstrichterlich entschieden. Hieraus folgt, dass jede Gläubigergruppe nun versuchen wird, ihre eigenen Interessen optimal durchzusetzen und einen größtmöglichen Anteil an der zur Verteilung stehenden Insolvenzmasse zu vereinnahmen.
Aufgrund der gegenläufigen Interessen der Gläubigergruppen gibt es die juristische Diskussion um die materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlagen, auf denen die einzelnen Forderungen beruhen und deren Einordnung im Insolvenzrecht.
TILP und andere Kanzleien, haben sich mit dem Insolvenzverwalter auf sog. Pilotverfahren geeinigt. In diesen Verfahren sollen wesentliche Rechtsfragen – insbesondere das Rangverhältnis von Aktionären – welche eine Vielzahl von Anlegern betrifft, geklärt werden.
Aktueller Stand dieser Verfahren: In einer Pressemitteilung vom 23. November 2022 teilte das Landgericht München I (LG) mit, dass die unter anderem gegen den Insolvenzverwalter der Wirecard AG gerichtete Klage einer Kapitalverwaltungsgesellschaft auf Feststellung von Schadenersatzforderungen zur Insolvenztabelle abgewiesen wurde. Gegen dieses Urteil wurde Berufung zum OLG München eingelegt. Das OLG München vertrat in der mündlichen Verhandlung die (vorläufige) Rechtsauffassung, dass das Urteil des Landgerichts rechtsfehlerhaft sei und die darin enthaltenen Argumente nicht verfangen. Vielmehr sprechen die besseren Argumente für eine gleichrangige Behandlung von „traditionellen“ Gläubigern und kapitalmarktrechtlichen Schadensersatzansprüchen. Das Berufungsurteil wird am 17.09.2024 erwartet.