Vorfälligkeitsentschädigung

Vorfälligkeitsentschädigung

- Vorfälligkeitsentschädigung beim Immobiliarkreditvertrag

- Vorfälligkeitsentschädigung beim Immobiliarkreditvertrag

- Hintergrund des Urteils

- Hintergrund des Urteils

- Entscheidung des BGH

- Entscheidung des BGH

- Rechtliche Grundlagen

- Rechtliche Grundlagen

Vorfälligkeitsentschädigung beim Immobiliarkreditvertrag

Am 3. Dezember 2024 fällte der Bundesgerichtshof (BGH) ein richtungsweisendes Urteil (Az. XI ZR 75/23), das erhebliche Auswirkungen auf die Praxis der Vorfälligkeitsentschädigung bei Immobiliendarlehen hat. Dieses Urteil betrifft insbesondere die Anforderungen an die Klarheit und Verständlichkeit von Vertragsklauseln zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung und stärkt die Rechte der Verbraucher. Betroffen sein dürften tausende Kreditverträge aus dem Bereich genossenschaftlicher Banken.

Hintergrund des Urteils

Im vorliegenden Fall schlossen die Kläger im Dezember 2018 und Februar 2019 zwei Immobiliendarlehensverträge über Nettodarlehensbeträge von 170.000 € und 20.000 € zum Kauf eines Zweifamilienhauses ab. Der vertragliche Zins war für je 10 Jahre festgeschrieben, wobei die Darlehen nach diesen 10 Jahren noch nicht vollständig getilgt sein würden. Auf Basis der vereinbarten Konditionen ergab sich eine voraussichtliche Vertragslaufzeit von 20 Jahren und 8 Monaten bzw. 14 Jahren und 3 Monaten.

Die Darlehensnehmer entschieden sich Mitte 2020 für eine Veräußerung der Immobilie und wollten die Darlehen vorzeitig zurückzahlen. Die Bank forderte darauf eine Vorfälligkeitsentschädigung von insgesamt über 15.000 €. Die Kläger zahlten einen Teil der Summe unter Vorbehalt und klagten auf Rückerstattung mit der Begründung, die vertraglichen Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung seien unzureichend und nicht klar verständlich.

Die betroffene Klausel

Die entscheidende Klausel in den beiden Darlehensverträgen lautete: „Der Zinsverschlechterungsschaden als der finanzielle Nachteil aus der vorzeitigen Darlehensablösung, das heißt, die Differenz zwischen dem Vertragszins und der Rendite von Hypothekenpfandbriefen mit einer Laufzeit, die der Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens entspricht.

Entscheidung des BGH

Der BGH bestätigte die Vorinstanzen (Landgericht Frankenthal und Oberlandesgericht Zweibrücken) und entschied zugunsten der klagenden Verbraucher. Er stellte fest, dass die verwendete Vertragsklausel zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nicht den gesetzlichen Anforderungen an Klarheit und Verständlichkeit entsprach. Konkret bemängelte der BGH die Formulierung, die sich auf die “Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens” bezog. Diese Formulierung könne den Eindruck erwecken, dass sich die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung auf die gesamte Vertragslaufzeit beziehe, obwohl die Zinserwartung der Bank nur für maximal 10 Jahre und 6 Monate rechtlich geschützt sei.

Rechtliche Grundlagen

Grundsätzlich sind Immobiliardarlehensverträge auf eine lange Laufzeit ausgelegt und die Konditionen in der Regel für viele Jahre festgeschrieben. Doch im Leben gibt es Veränderungen, die mit einem langjährigen Vertrag konfligieren können und man will oder muss eine Immobilie verkaufen. Daher normiert § 490 Abs. 2 BGB, dass der Darlehensnehmer ein außerordentliches Kündigungsrecht besitzt, wenn seine berechtigten Interessen dies gebieten. Der geplante Verkauf einer Immobilie stellt solch ein berechtigtes Interesse dar.

Folge der vorzeitigen Beendigung des Immobiliardarlehens ist, dass die darlehensgebende Bank eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen kann. Damit soll ihr der aus der vorzeitigen Kündigung entstandene (entgangene Zins-)Schaden ersetzt werden, was auch im Rahmen eines Interessensausgleichs angemessen ist. Schließlich liegt der Verkauf der Immobilie nicht in der Sphäre der Bank.

Allerdings verlangt Art. 247 § 7 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB, dass der Darlehensvertrag klare und verständlich formulierte Informationen über Voraussetzungen und die Berechnungsmethode der Vorfälligkeitsentschädigung enthält. Erfüllt die Bank diese Voraussetzungen nicht, führt dies gemäß § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB zum Verlust des Anspruchs des Darlehensgebers auf Vorfälligkeitsentschädigung, wenn eben die vertraglichen Angaben zur Berechnung dieser Entschädigung nicht klar und verständlich sind.

Im vorliegenden Fall wurden diese Anforderungen nicht erfüllt, sodass der Anspruch der Bank auf Vorfälligkeitsentschädigung ausgeschlossen war. Denn in den Verträgen hieß es, dass sich auf Basis der vereinbarten Konditionen eine voraussichtliche Vertragslaufzeit von 20 Jahren und 8 Monaten bzw. 14 Jahren und 3 Monaten ergebe und dass die Bank im Falle einer vorzeitigen Rückzahlung der Darlehen eine Vorfälligkeitsentschädigung erhalte, bei deren Berechnung Zinsen bis zur Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens berechnet werden dürften. Dies war nur so zu verstehen, dass eben Zinsen bis 20 Jahre und 8 Monate bzw. 14 Jahre und 3 Monate gerechnet ab Vertragsschluss in die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung einfließen.

Was die Bank nicht berücksichtigte, war § 489 Abs. 1 Nr.2 BGB, der vorsieht, dass ein Darlehen, dessen Konditionen festgeschrieben sind, jedenfalls nach Ablauf von 10 Jahren ab vollständiger Auszahlung des Darlehensbetrages mit einer Frist von 6 Monaten gekündigt werden kann. D.h. ein Darlehensnehmer kommt spätestens nach 10 Jahren und 6 Monaten aus einem an sich länger laufenden Darlehen raus und kann dieses ohne Vorfälligkeitsentschädigung zurückzahlen.

Die Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung waren daher missverständlich, da dort auf die Restlaufzeit der Darlehen (20 Jahre und 8 Monate bzw. 14 Jahre und 3 Monate) abgestellt wurde, statt die gesetzliche Kündigungsmöglichkeit nach 10 Jahren zu berücksichtigen.

Auswirkungen auf die Praxis

Die Vertragsklausel, die der BGH monierte, stammt aus dem Bereich genossenschaftlicher Banken, wie sie von vielen Volks- und Raiffeisenbanken verwendet wurde. Es dürften bundesweit wohl mehrere tausend Verträge betroffen sein, da die Vertragsklausel über Jahre hinweg verwendet wurde.

Dieses Urteil hat weitreichende Konsequenzen für Verbraucher, wie auch für Darlehensvermittler. :

  1. Überprüfung bestehender Verträge: Im Falle einer vorzeitigen Ablösung eines Immobiliardarlehens wegen Verkauf der Immobilie führt die Verwendung der obigen Klausel dazu, dass die Bank keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen kann.
  2. Rückforderungsansprüche von Verbrauchern: Verbraucher, die in der Vergangenheit eine Vorfälligkeitsentschädigung gezahlt haben, könnten aufgrund dieses Urteils einen Anspruch auf Rückerstattung haben, wenn die entsprechenden Vertragsklauseln unzureichend formuliert waren.
  3. Handlungsbedarf: Der Rückforderungsanspruch unterliegt, wie jeder Anspruch, der Verjährung. Es ist davon auszugehen, dass eine Rückforderung zu Unrecht gezahlter Vorfälligkeitsentschädigungen nach 3 Jahren nach Zahlung zum Jahresende verjährt. Im Jahr 2025 können also Vorfälligkeitsentschädigungen zurückgefordert werden, die nach dem 01.01.2022 gezahlt wurden.

Fazit

Das Urteil des BGH vom 3. Dezember 2024 stellt klar, dass die insbesondere von genossenschaftlichen Banken verwendete Klausel zur Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung nicht den gesetzlichen Anforderungen an Transparenz und Verständlichkeit gerecht wird. Betroffene Verbraucher können gezahlte Vorfälligkeitsentschädigungen der letzten drei Jahre zurückfordern. Dies sollte aufgrund der erfahrungsgemäß ablehnenden Haltung der Banken nur mit anwaltlicher Hilfe  getan werden.

Ihr Ansprechpartner Alexander Heinrich.