Deutsche Telekom-Prozess: TILP stellt Antrag auf Anordnung der Urkundenvorlegung aus dem US-Verfahren gegen die Telekom durch das OLG Frankfurt – Zudem wurde beim LG Frankfurt ein Berichtigungsantrag hinsichtlich des Feststellungsziels eingereicht – Deliktische Haftungsansprüche gegen Telekom sind vor dem Hintergrund des TILP vom OLG Frankfurt nun ermöglichten Einblicks in bisher verweigerte Unterlagen der Bonner Staatsanwaltschaft zu prüfen
Frankfurt am Main, 14.04.2008
TILP Rechtsanwälte haben beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main einen Antrag nach § 142 ZPO (Anordnung der Urkundenvorlegung) eingereicht. Dem Antrag zufolge soll das Gericht der Musterbeklagten Deutsche Telekom auftragen, diejenigen Unterlagen hierzulande vorzulegen, die die Deutsche Telekom in den USA im Rahmen des dortigen „pre-trial discovery“-Verfahrens (Ausforschungsverfahren) vorlegen musste.
Bekanntlich hat die Vorlage dieser umfangreichen Unterlagen sowie die Vernehmung von 30 Zeugen dazu geführt, dass sich die Deutsche Telekom mit ihren geschädigten US-Aktionären durch Zahlung von $ 120 Mio. verglichen hat. Nachdem die ebenfalls im Telekom-Prozess beklagte Bundesrepublik Deutschland mindestens drei Mal durch den inzwischen pensionierten Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Professor Dr. Geiger, die Aktenherausgabe in den USA erfolgreich verhinderte, stellte die den Musterkläger vertretende Kanzlei TILP am 8.4.2008 diesen Antrag bei Gericht.
TILP stützt sich dabei auch auf ein Urteil des BGH vom 26. Juni 2007 (Az. XI ZR 277/05). Danach ist § 142 Abs. 1 ZPO auch dann anwendbar, wenn sich der beweispflichtige Prozessgegner auf eine Urkunde bezogen hat, die sich im Besitz der nicht beweisbelasteten Partei befindet. Es bedarf dazu keines materiell-rechtlichen Herausgabe – oder Vorlegungsanspruchs.
Rechtsanwalt Andreas Tilp begründet diesen Schritt: „Die Waffengleichheit im zivilrechtlichen Prozess ist ein grundsätzliches verfassungsrechtliches Gebot. Die Telekom wurde ja bereits in den USA dazu verpflichtet, diese augenfällig höchst brisanten Unterlagen vorzulegen. Danach hat sie sich, wie in den USA durchaus häufig der Fall, rasch mit ihren klagenden US-Aktionären verglichen. Aus unserer eigenen langjährigen USA-Erfahrung wissen wir jedoch auch: Unternehmen, die rundweg ordnungsgemäß gehandelt haben, stellen sich auch dort dem Jury-Verfahren. Und manche gewinnen.“
LG Frankfurt soll Feststellungsziel korrigieren – Auch deliktische Haftung soll nun geprüft werden – Akten der Bonner Staatsanwaltschaft werden derzeit intensiv von TILP ausgewertet
Am 10.4.2008 stellte TILP beim zuständigen Richter Wösthoff am LG Frankfurt am Main einen so genannten Berichtigungsantrag. Das ursprüngliche Feststellungsziel, das sich nach Ansicht des Senats des OLG im Wesentlichen auf die Frage der Richtigkeit der Prospektangaben und der damit zusammenhängende Börsenprospekthaftungsansprüche beschränkt, soll nun dahingehend berichtigt werden, dass auch deliktische Ansprüche vom OLG Frankfurt am Main geprüft werden müssen.
„Nachdem uns – trotz intensivster Bemühungen – der umfassende Einblick in die Bonner staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren bis dato verwehrt blieb, begrüßen wir die jetzige Erlaubnis des OLG Frankfurt am Main, einen vollständigen Einblick in die Akten nehmen zu dürfen. Vor diesem Hintergrund haben wir vorsorglich die Korrektur des Feststellungsziels beantragt, so dass dieses auch die Prüfung deliktischer Ansprüche im laufenden Telekom-Prozess erfasst“, so Rechtsanwalt Peter Gundermann. Die respektiven Akten der Staatsanwaltschaft konnte TILP inzwischen kopieren, sie werden derzeit intensiv ausgewertet. Auf Anregung von TILP hat das OLG Frankfurt inzwischen auch weitere, dem Gericht ebenfalls bisher nicht vorliegende Akten der Bonner Staatsanwaltschaft bei dieser angefordert.
Bekanntlich bejahte die Bonner Staatsanwaltschaft in ihren Ermittlungen gegen Verantwortliche der Telekom sowie verschiedene Wirtschaftsprüfer ausdrücklich Kapitalanlagebetrug für den Börsengang 1996 sowie Bilanzfälschung in den Jahren 1995-1997, stellte das Verfahren aber dann nach § 153a Strafprozessordnung aus verfahrensökonomischen Gründen gegen Zahlung hoher Geldauflagen ein. Die Deutsche Telekom AG verpflichtete sich zur Zahlung von 5 Mio. €.
“Mit dem Antrag auf Berichtigung des Feststellungsziels geben wir keinesfalls unsere Absicht auf, der Telekom einen Prospekthaftungsmangel nachzuweisen“ stellt Andreas Tilp klar und resümiert nach den ersten beiden Verhandlungstagen: „Die bisherigen Einschätzungen des OLG sind lediglich vorläufig. Wenngleich wir uns in Bezug auf die Unzulässigkeit des „Clusterverfahrens“ und bezüglich der Wesentlichkeit der vom OLG erachteten Abweichung eine andere vorläufige Einschätzung gewünscht hätten, weisen wir darauf hin, dass die Vorwürfe rund um die Darstellung des Immobilienvermögens nicht aufgegeben werden. Sowohl vom Vorsitzenden Richter Wösthoff am LG Frankfurt, zuständig für die Ausgangsverfahren, als auch von der Staatsanwaltschaft Bonn wird diese Frage anders beurteilt. Im Übrigen steht das Musterverfahren vor dem OLG erst am Anfang. Weitere zahlreiche Vorwürfe gegen die Beklagten sind dabei zu behandeln.“
Gutachten des Bundesrechnungshofes bleibt weiterhin unter Verschluss
Den klagenden Telekom-Aktionären bleibt weiterhin der Einblick in das ebenfalls geheim gehaltene Gutachten des Bundesrechnungshofs verwehrt, welches schwere Vorwürfe gegen die Telekom enthalten soll. Ersichtlich liegt es auch dem OLG nicht vor. Auch diesbezüglich haben TILP Rechtsanwälte Antrag auf Vorlage nach § 142 Abs. 1 ZPO gestellt.
Rechtsanwalt Andreas Tilp: „Noch stellt der Telekom-Prozess einen ungleichen Kampf dar, da Telekom und Staat wichtige Dokumente unterdrücken. TILP Rechtsanwälte bleibt zuversichtlich, mit Hilfe des OLG diese Blockade zu durchbrechen, wie uns das hinsichtlich von Unterlagen der Staatsanwaltschaft Bonn ja bereits gelungen ist.“