VW-Anlegerklagen wegen Dieselgate: Oberlandesgericht Braunschweig erlässt ersten Teilmusterentscheid in der Geschichte des KapMuG – Rechtsfragen zur Gerichtszuständigkeit entschieden – Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof höchstwahrscheinlich
Braunschweig/Kirchentellinsfurt, 12.08.2019
Das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig hat heute einen ersten Teil des bei ihm geführten Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) gegen die Volkswagen AG (VW) und die Porsche Automobil Holding SE (PSE) entschieden (Beschluss vom 12.08.2019, 3 Kap 1/16). Der Beschluss (Teilmusterentscheid) wurde der Musterklägerin, die von der TILP Litigation Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (TILP Litigation) vertreten wird, soeben mitgeteilt.
Durch den Teil-Musterentscheid hat das OLG Braunschweig juristisches Neuland betreten, es handelt sich um den ersten Teilmusterentscheid in der Geschichte des seit 2005 existenten KapMuG.
Der heutige Beschluss klärt Rechtsfragen zur Gerichtszuständigkeit in den Anlegerklagen wegen Dieselgate gegen die beiden Unternehmen VW und PSE nach § 32b ZPO: Welche dieser Konzerngesellschaften muss vor welchem Landgericht wegen welcher Ansprüche verklagt werden? Diese Fragen sind höchst umstritten, VW und PSE vertraten dazu unterschiedliche Auffassungen, ebenso die Klägerseite.
„Das OLG Brauschweig hält für Klagen gegen VW wegen eigener Publizitätspflichtverletzungen das LG Braunschweig für ausschließlich zuständig, für Klagen gegen PSE wegen derer eigener Publizitätspflichtverletzungen das LG Stuttgart. Das haben wir erwartet. Überraschend sind dagegen die Ausführungen des OLG zur Frage, wo Ansprüche wegen Beihilfe an der Verletzung von Publizitätspflichten des jeweils anderen Unternehmens (Haupttäter) einzuklagen sind“, erläutert der Tübinger Rechtsanwalt Andreas W. Tilp den Teilmusterentscheid. „Das muss dann nach Auffassung des OLG ebenfalls am Landgericht des Haupttäters erfolgen, so dass die PSE wegen Beihilfe an den Taten von VW ebenfalls vor dem LG Braunschweig verklagt werden müsste“, analysiert Tilp.
Eine inhaltliche Entscheidung, ob VW und PSE den Anlegern haften, ist mit dem heutigen Teilmusterentscheid nicht verbunden.
Gegen den Beschluss ist die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (BGH) eröffnet. „Wir gehen fest davon aus, dass Rechtsbeschwerde eingelegt werden wird“, sagt Rechtsanwalt Tilp. „Denn die entschiedenen und vom OLG aufgeworfenen Fragen sind zu umstritten und von extremer praktischer Bedeutung, eine höchstrichterliche Klärung ist daher dringend erforderlich“, fährt Tilp fort.
Wie geht es weiter?
Am 21. Oktober wird sich das OLG Braunschweig wieder inhaltlichen Haftungsfragen zuwenden, es geht dann um die Haftung für falsche Geschäftsberichte der Volkswagen AG. Weitere Termine sind für den 11., 25. und 26. November sowie den 16. Dezember anberaumt. Eine Rechtsbeschwerde zum BGH gegen den jetzigen Teilmusterentscheid hindert die Fortsetzung dieser Termine nicht.