AKTUELLER NEWSLETTER vom 29.06.2022
Mit unserem aktuellen Newsletter zum Wirecard-Bilanzskandal möchten wir Sie über die neusten Entwicklungen im Kapitalanleger-Musterverfahren (Musterverfahren) gegen die Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (1.) und im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Wirecard AG (2.) informieren.
1. Kapitalanleger-Musterverfahren gegen die Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (EY)
Nunmehr hat das Landgericht München I begonnen, die bisher eingereichten Klagen gegen EY im Hinblick auf das Musterverfahren auszusetzen. Besondere Erwähnung findet dieses, da es sich nicht nur um den wohl ersten Aussetzungsbeschluss bundesweit handeln dürfte, sondern das Landgericht in seiner Begründung anführt, dass die von EY vorgebrachten Argumente, ein Musterverfahren sei unzulässig und die Klage mangels Schlüssigkeit abzuweisen, nicht durchgreifen. Vielmehr sei die von TILP eingereichte Klage schlüssig. Das bedeutet, dass die für eine Haftung der Beklagten vorgebrachten Argumente und Tatsachen ausreichend vorgetragen wurden. Das Gericht weist auch darauf hin, dass dieses auch für die sogenannte „Kausalität“ gelte. An diesem Punkt sind – nach unserer Kenntnis – die meisten der bisher gegen EY eingereichten Klagen gescheitert.
Wir haben Ihnen den Aussetzungsbeschluss hier als PDF zum Nachlesen bereitgestellt:
Damit nimmt das Musterverfahren seinen geplanten Verlauf. Sollten Sie uns in Sachen EY noch nicht beauftragt haben, werden wir Ihnen innerhalb der kommenden Wochen Ihre persönlichen Handlungsoptionen im Detail aufzeigen. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir zuvorderst das Musterverfahren vorangebracht haben. Dieses ist elementare Grundlage, um Ihnen einen erfolgsversprechenden und kostenschonenden Weg der Schadenskompensation zu eröffnen.
2. Insolvenzverfahren über das Vermögen der Wirecard AG
Der kürzlich vom Insolvenzverwalter, Dr. Michael Jaffé, veröffentlichte 3. Sachstandsbericht enthält sowohl Aussagen über die Tätigkeiten des Insolvenzverwalters im Berichtszeitraum als auch einen Ausblick über den Fortgang des Insolvenzverfahrens.
Im Berichtszeitraum ist es dem Insolvenzverwalter gelungen, die Abwicklung der Wirecard Bank AG (umfirmiert in WDB Abwicklungs AG) voranzutreiben. Folglich wurden – mit Zustimmung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) – die gesamten bei der Wirecard Bank AG vorhandenen Einlagen der Wirecard AG an den Insolvenzverwalter ausbezahlt. Es handelt sich um eine Einlage in Höhe von circa EUR 226,8 Mio. Dieses Geld wird der Insolvenzmasse zugeführt und erhöht diese nochmals erheblich. Damit dürfte – nach unseren Berechnungen – die Insolvenzmasse auf über eine Milliarde Euro angewachsen sein.
Ebenfalls ist es dem Insolvenzverwalter im Rahmen eines Gerichtsverfahrens gelungen, die Bank, welche die vermeintlichen Treuhandkonten der Wirecard AG führte, dazu zu verpflichten, die vollständigen Kontoauszüge der (vermeintlichen) Treuhandkonten, auf denen sich die (vermeintlichen) Treuhandgelder bis Ende 2019 befunden haben sollen, herauszugeben. Zudem wurden die Bedingungen dafür geschaffen, dass die so erlangten Dokumente auch außerhalb Singapurs verwendet werden dürfen. Diese waren ein wichtiges Beweismittel im Rahmen der Nichtigkeitsfeststellungsklage der Jahresabschlüsse 2017 und 2018 der Wirecard AG. Mit Urteil des Landgerichtes München I vom 05. Mai 2022 wurde der Klage des Insolvenzverwalters stattgegeben und die Nichtigkeit dieser Jahresabschlüsse festgestellt. Dies hat u.a. zur Folge, dass die Dividendenzahlungen (ca. EUR 47 Mio.) der Wirecard AG der Jahre 2018 und 2019 vom Insolvenzverwalter zurückverlangt werden könnten. Ob der Insolvenzverwalter tatsächlich versucht, die teilweise nur wenige Euro ausmachende Dividende von jedem Aktionär zurückzufordern, bleibt offen.
Positiv an dieser Entwicklung ist, dass die dem Insolvenzverwalter zur Verfügung stehenden Unterlagen der Bank, auf welcher sich die vermeintlichen Treuhandkonten befanden, in einem gerichtlichen Verfahren gegen die Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft herangezogen werden könnten. Es dürfte sich um einen weiteren Beweis für die unzureichenden Prüfungshandlungen der Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft handeln.
Laut Sachstandsbericht konnte die Verwertung des Beteiligungsvermögens mittlerweile abgeschlossen werden. Insoweit sind nur noch wenige Restarbeiten offen. Im weiteren Verlauf des Verfahrens wird der Insolvenzverwalter sein Hauptaugenmerk auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen im Rahmen von Haftungsklagen legen (u.a. gegen mehrere Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat und EY). Ebenfalls wird der Insolvenzverwalter weiter mit der Sichtung und Prüfung der bisher eingegangenen Forderungsanmeldungen beschäftigt sein. Laut Insolvenzverwalter ist der Verlauf des Insolvenzverfahrens weder in zeitlicher Hinsicht absehbar noch ist zum jetzigen Zeitpunkt eine mögliche Quotenerwartung zu benennen.
Dies bietet geschädigten Anlegern, welche bisher ihre Ansprüche nicht im Insolvenzverfahren angemeldet haben die Möglichkeit, ihre Ansprüche weiterhin zur Insolvenztabelle anzumelden. Ebenfalls besteht für solche Geschädigten, welche ihre Ansprüche bisher selbst angemeldet haben, die Möglichkeit, diese von einem Anwalt überprüfen und ggf. korrigieren zu lassen. Insbesondere Anlegern welche ihre Ansprüche nicht oder nur knapp (rechtlich) begründet haben, ist eine Korrektur durch einen Anwalt zu empfehlen. Eine nicht (ausreichend) begründete Forderungsanmeldung hemmt – aus unserer Sicht – die Verjährung nicht und bietet auch keine Grundlage für die Rückerstattung eines Teiles des geltend gemachten Schadens aus der Insolvenzmasse. Sollten Sie uns im Insolvenzverfahren noch nicht beauftragt haben, werden wir Ihnen auch für diesen Verfahrensabschnitt zeitnah detaillierte Handlungsoptionen zukommen lassen.
Aus unserer Sicht verläuft das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Wirecard AG bisher positiv, weshalb wir weiterhin fest davon überzeugt sind, dass geschädigte Anleger mit einer guten Insolvenzquote rechnen können.
Ausführliche Informationen zum Fall Wirecard finden Sie unter: www.wirecard-klage.de